Wissenswertes für Privatversicherte Patienten

Wissenswertes für Privatversicherte Patienten

Der nachfolgende Artikel wurde am 29.08.2017 in der Zeitschrift up Unternehmenspraxis des Buchner Verlages veröffentlicht. Wir finden Ihn sehr interessant, bietet er doch Einblick in den Umgang der privaten Krankenversicherer mit Ihren Kunden.

Ein Schreiben einer PKV, neun Unwahrheiten – und neun Fakten zur Richtigstellung

Die Krankenversicherung Münchener Verein (mv) hat ihrem Versicherten Hans P. aus München in einem Brief dargelegt, warum sie das mit einem Physiotherapeuten vereinbarte Honorar nicht vollständig erstatten will. Neun Punkte finden sich in diesem Brief, die entweder dreiste Lügen oder wenig elegante Verdrehungen der Wahrheit sind. Zeit für eine Richtigstellung für Ihre Versicherten – mit diesen neun Fakten:

1. Therapeuten dürfen ihre Privatpreise frei mit Patienten verhandeln

mv schreibt: „Der Behandler ist in seiner Preisgestaltung nicht frei.“

Das ist falsch. Ganz im Gegenteil hat sogar das Wissenschaftliche Institut des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen (PKV) schon 2014 in einem Gutachten festgestellt: „In Bezug auf die Vergütung von Heilmitteln gibt es in der PKV – im Gegensatz zur GKV – keine vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Kostenträgern und den Leistungserbringern und auch keine amtliche Gebührenordnung. Bei Privatpatienten verhandeln Therapeuten die Preise ihrer Leistungen frei mit dem Patienten.“

2. Es gibt keine „übliche Vergütung“ bei den Privatpreisen

mv schreibt, „die Höhe der Vergütung von Physiotherapeuten“ würde sich „aus § 612 Abs. 2 BGB“ ergeben.

Das stimmt nicht. Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden Verträge zwischen Patienten und Physiotherapeuten durch den § 630a BGB „Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag“ geregelt, dort heißt es: „(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.“ Von einer „üblichen Vergütung“ ist hier definitiv nicht die Rede.

3. Die PKVen blockieren rechtliche Klarheit

mv schreibt: „In der Rechtsprechung ist letztlich nicht abschließend geklärt, auf welche Vergleichsbasis hierbei abgestellt werden soll.“

Damit spielt der mv auf die fehlende höchstrichterliche Klärung an, ob und in welcher Höhe die übliche Vergütung anzuwenden ist. Das hatte 2010 auch schon Dr. Sybille Kessal-Wulf, damalige Richterin am Bundesgerichtshof, bemängelt (up berichtete). In einem Fachaufsatz vermutete sie, dass die PKVen immer dann, wenn eine Grundsatzentscheidung zu ihren Ungunsten anstehen würde, schnell den strittigen Betrag erstatten. Dadurch kommt es zu keinem Verfahren – und die Versicherungen können weiter behaupten, es gebe keine eindeutige Rechtslage. Die PKV verhindert also eine abschließende Klärung!

4. Beihilfesätze gelten nicht für Privatpreise

mv schreibt: „In diesem Zusammenhang legt die Rechtsprechung sodann die bundeseinheitlichen Beihilfesätze als Maßstab zu Grunde.“

Auch das ist nicht wahr. Das geltende Recht, wie es die Richter auch entgegen der Behauptung der PKVen anwenden, sagt: Beihilfesätze haben für Therapeuten keinerlei Rechtswirkung, sie betreffen ausschließlich die Abrechnung zwischen den Beihilfefestsetzungsstellen und den Beihilfeberechtigten! Patienten müssen vielmehr das Honorar bezahlen, dass sie mit dem Therapeuten vereinbart haben.

5. Innenministerium und Verbände vereinbaren keine Beihilfesätze

mv schreibt: „Zudem werden die Beihilfesätze regelmäßig zwischen dem Bundesminister des Inneren (BMI) und den Dachverbänden der Physiotherapeuten vereinbart.“

Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. 2011 teilte Dr. Philipp Spauschus, damals Mitarbeiter aus dem Leitungsbereich Presse des BMI, auf Nachfrage gegenüber up mit: „Vor diesem Hintergrund gibt es keine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Inneren und den Verbänden der Physiotherapeuten und Krankengymnasten.“ Das bestätigten auch ZVK und VPT.

6. Beihilfesätze sind keine „marktüblichen Preise“

mv schreibt: „Dabei wird die Höhe der durchschnittlichen, also marktüblichen Vergütungen zu Grunde gelegt.“

Der Krankenversicherer spricht hier von „durchschnittlichen Preisen“, zielt aber darauf ab, dass die Beihilfesätze die marktüblichen Vergütungen seien. Auch diese Behauptung entpuppte sich schon 2011 nach Rücksprache mit dem Bundesinnenministerium als dreiste Falschmeldung: Dem Ministerium zufolge würden die Beihilfe-Höchstsätze nicht den Anspruch erheben, die Kosten für die Behandlung der Beihilfeberechtigten vollständig zu decken. „Die Differenz zwischen dem tatsächlich von den Heilbehandlern in Rechnung gestellten Betrag und dem beihilfefähigen Höchstbetrag muss von den Beihilfeberechtigten selber getragen werden“, erläuterte Dr. Philipp Spauschuss. Davon, dass die Beihilfesätze „marktübliche Preise“ darstellen, kann also keinesfalls die Rede sein.

7. Privatpatienten dürfen auch teurere Leistungen wahrnehmen

mv schreibt: „Aus dem Umstand, dass Sie eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben, lässt sich nämlich nicht schließen, dass für identische Leistungen ein Erstattungsanspruch für überhöhte Abrechnung von Heilmaßnahmen bestehen soll.“

Jetzt begibt sich die mv in einen Bereich, der sogar schon höchst richterlich entschieden ist: „Das Kürzungsrecht des Versicherers bei sog. Übermaßbehandlungen […] erstreckt sich nicht auch auf Übermaßvergütungen“,  stellte der Bundesgerichtshof 2003 fest. Privatpatienten sind also keineswegs gezwungen, sich die billigste Leistung zu suchen, sondern dürfen sich im Rahmen ihrer Tarifbedingungen frei entscheiden. Dass die mv von „identischen Leistungen“ spricht, ist übrigens ausgesprochener Unsinn. Therapeuten arbeiten auf sehr unterschiedlichem Niveau. Für diese Unterschiede müssen Patienten natürlich bezahlen!

8. PKVen müssen im Behandlungsvertrag vereinbartes Honorar tarifgemäß erstatten

mv schreibt: „Somit besteht für die Abrechnungen von physiotherapeutischen Leistungen, die wesentlich über den beihilfefähigen Höchstsätzen liegen, kein Vergütungsanspruch des Behandlers gegenüber dem Patienten.“

Auch die andauernde Wiederholung eines falschen Arguments macht es nicht richtig: Grundlage für die Höhe des Honorars ist ausschließlich der im Behandlungsvertrag vereinbarte Satz. Und das müssen die Versicherungen dann Tarifgemäß erstatten.

9. Das BMI im Jahr 2004: Auch Beamte müssen Mehrkosten tragen

2004 wehrte sich das Bundesinnenministerium in einer Pressemitteilung gegen den Vorwurf, dass Beihilfeberechtigte durch das damalige Gesundheitsreformgesetz bessergestellt würden. Darin beschrieb das Ministerium ausführlich, wie auch Beamte Mehrkosten zu tragen hätten. Unter anderem müssten Beamte die Differenz zwischen den (nicht kostendeckenden) Beihilfesätzen und den höheren Sätzen der Physiotherapeuten selbst zahlen.

Der mv bezieht sich in seinem Brief nun auf diese Pressemitteilung, übergeht aber den ausdrücklichen Hinweis auf die Physiotherapeuten und versteigt sie sich zu einer abenteuerlichen Verdrehung der Wirklichkeit: „Die genannte Pressemitteilung ist übrigens in den offiziellen Verlautbarungen des Ministeriums nicht mehr enthalten und findet lediglich bei einzelnen Physiotherapeuten zur Begründung ihrer Preiserhöhung Verwendung.“

Fakt ist: Die Pressemitteilung hat es gegeben. Schon 2004 befand das BMI die Beihilfesätze als nicht kostendeckend (und seit 2001 sind diese Sätze nicht erhöht worden!). Ja, aktuell findet sich die Pressemitteilung nicht auf den Internetseiten des BMI – wofür es allerdings eine einfache Erklärung gibt: Die Veröffentlichung ist bereits 13 Jahre her! Das BMI hält Pressemitteilung nur für zehn Jahre vor. Der mv tut das übrigens selbst nur für zwei Jahre. Den Originaltext der Pressemitteilung finden Sie noch auf der Internetseite www.privatpreise.de.

Ein Schreiben einer PKV, neun Unwahrheiten – und neun Fakten zur Richtigstellung

Ganz konkret:
In diesem Artikel finden Sie die wesentlichen Verfälschungen der Privaten Krankenversicherungen am Beispiel des Schreibens des mv sowie die dazugehörigen Korrekturen. Gern können up|plus Mitglieder diesen Text als Word-Datei erhalten, um daraus eine Privatpatienteninformation auf eigenem Briefpapier zu erstellen. Schreiben Sie uns gerne an.

Bildnachweis: iStock: malerapaso

Themen: Thema AbrechnungThema Abrechung PKV
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